Samstag, 31. Januar 2015
Tag 892
Vor wenigen Stunden ist ein- ja wie soll ich es nennen...- Mitpatient - im Alter von 41 Jahren aus diesem Leben gegangen. Nach 3 Jahren in ständigem Wettlauf mit dem Krebs war sein Körper - wie er es beschrieben hat - "zu Tode erschöpft". Er war ein vitaler starker Mann und zuletzt nur noch ein körperliches Wrack. Er schleppte sich die letzten Wochen durch das Leben. Wir hatten in den letzten Monaten immer wieder Kontakt durch gemeinsame Krankenhausaufenthalte und kannten uns gar nicht richtig - trotzdem und vielleicht gerade, weil wir unvoreingenommen voreinander waren haben wir uns über unseren geistigen und emotionalen Zustand ausgetauscht, und hatten Diskussionen sogar politischer Art. Er hat ab und an gesagt, dass er dankbar ist, dass ich ihn nicht nur als todkrank wahrnehme und deshalb auch Gespräche fernab der Erkrankung zustande kamen - dabei waren es im Nachhinein für mich eher flüchtige und nicht tiefgründige Gespräche, oft nur auf dem Gang der Klinik oder im Fahrstuhl- zuletzt auch mal in einer schlaflosen Nacht, aber kaum lange Gespräche...vielleicht in euren Augen "smalltalk" - für einen Patienten sind Minuten der Abwechslung eigentlich Stunden - so fühlt es sich für mich an. In unseren Gesprächen haben wir über Sterbehilfe jeglicher Art offen nachgedacht und gesprochen. Und wir sind beide zum Entschluss gekommen: Sterbehilfe ist keine Sünde oder Schwäche, es geht um ein menschenwürdiges Sterben.

Er hat die letzten Momente seines Lebens mit Unterstützung von Dignitas (http://dignitas.ch/) wahrgenommen - er ist in Würde gegangen. Ja, auch für mich eine Alternative der Welt den Rücken zu kehren...man wird allein geboren und muss alleine gehen...

Warum ich euch das alles erzähle? - sein Bruder hat mir mitgeteilt, dass er friedlich eingeschlafen ist und dass er diktiert hat, was ich in meinem Blog veröffentlichen soll:

"Mein letzter Weg war emotional aber richtig! Meine Familie hat mich in die Schweiz gefahren - wir haben rumgealbert, sogar viel gelacht und als wir dort ankamen gaben sich die Ärzte enorm viel Mühe, pietätvoll zu sein. - es war mir schon ein bisschen too much...Ich trinke mein Glas, mein Familie ist da. Mein Bruder grinst mich an, ihm kommt eine Träne, mir auch. Ich bilde mir ein, dass mein Puls runtergeht, es beruhigt mich, es ist endlich vorbei. Das Licht geht aus und ich gehe nach Haus."

Christoph Schlingensief hat es perfekt gesagt: "So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein". Seid dankbar und demütig, wenn ihr gesund seid, seid für Menschen da, denen es nicht gut geht, verzeiht ihnen viele Fehler, die sie in ihrer Verzweiflung machen, seid nicht verletzt in eurem Stolz, wenn sich Menschen die schwerkrank sind verändern- es ist allein die Angst, die sie so werden lässt- versucht ihnen Kraft zu geben, sie werden eure reichende Hand immer annehmen!